Montag, 18. Februar 2013

Funkensonntag in Vorarlberg

          Das Abbrennen von sogenannten „Funken“, ist ein alter alemannischer Brauch und ist im ganzen Land Vorarlberg verbreitet, zudem ist er seit einigen Jahren von der UNESCO als Weltkulturerbe anerkannt. Bei einem Funken handelt es sich um einen mehr oder weniger kunstvoll und in verschiedenen Bauweisen (z.B. vier- oder achteckig) aufschichteten Holzturm, der in der Regel eine Höhe zwischen 15 und 30 Metern erreicht. In jeder Vorarlberger Gemeinde befindet sich eine „Funkenplatz“, das ist eine freie Fläche im oder in der Nähe des Ortsgebietes, wo das hier beschriebene volkstümliche Spektakel, jeweils am Samstag oder Sonntag nach dem Aschermittwoch stattfindet. Mit dem Funkensonntag endet der Fasching (früher tanzte man nach dem Funkenabbrennen noch die „letzten Drei“, bevor die Fastenzeit endgültig begann).
(Tisner Funken - 16. Feb. 2013)
 
          Der Bau eines Funken ist eine Kunst für sich und darf nur von den davon „besonders qualifizierten“ Personen ausgeführt werden. Heutzutage wird meist sehr trockenes Abbruchholz zum Bau der Funken verwenden, wodurch der Abbrand sehr rasch und sauber erfolgt. Dies soll aber nicht immer so gewesen sein.

         Böse Zungen behaupten, dass noch vor einigen Jahrzehnten Funken dazu benützt worden seien übers Jahr angesammelten Müll zu verbrennen. Es hätten sich sogar Autoreifen, alte Möbel und dergleichen zwischen den vertrockneten Christbäumen der Weihnachtszeit gefunden, mit denen der Funken im Inneren gefüllt wird. Solches würde man in unserer Zeit natürlich niemals tun.  
 
(Tostner Funken - 17. Feb. 2013)
 
          Das Zentrale am Funken ist in jedem Fall die „Funkenhexe“, die auf der Spitze des Funkens angebracht und mit reichlich Explosionsmaterial gefüllt ist. Sobald das Feuer nun diese, meist etwa lebensgroße Stoffpuppe, erreicht, kommt es zum Tod der Hexe durch Explosion, was sinnbildlich das Austreiben des Winters darstellt. Dies ist ein ganz besonders wichtiges Ereignis und jede „Funkenzunft“ (das ist die örtliche Gemeinschaft, die für das Errichten und der Organisation des ganzen Events verantwortlich ist) legt größten Wert darauf, denn sollte der Funken nicht abgebrannt werden können (etwa aufgrund der Witterungsumstände), brennt er schlecht ab oder fällt (zu früh) um oder explodiert die Hexe etwa nicht, dann wird dies als eine große „Schande“ empfunden. Für diesen Fall gibt es eine „Beerdigung“ der Hexe, ein Trauerfall sondergleichen für das ganze Dorf.

          In früheren Zeiten soll es vorgekommen sein, dass sich im Schutze der Dunkelheit (meist in der Nacht) Gestalten aus dem Nachbardorf herangeschlichen hätten, um den Funken vorzeitig abbrennen zu lassen und damit die Gemeinde zu blamieren. Daraufhin wurde eine strenge Funkenwache eingerichtet, um einem solchen „Anschlag“ vorzubeugen.
 
(Harmoniemusik Tisis-Tosters beim Tostner Funken am 17. Feb. 2013)
          Im Anschluss an das Abbrennen des Funkens hat es sich eingebürgert, dass (meist von der örtlichen Feuerwehr) ein Feuerwerk veranstaltet wird. Dazu ist zu bemerken, dass die Professionalität dieser Feuerwerke im Laufe der Zeit stark zugenommen hat. Man merkt, dass pyrotechnische Experten am Werk sind. Sicherlich hat auch die Technik ihres dazu beigetragen, dass die Koordination der Raketen und Böller ein höheres Niveau erreichen konnte.

         Eine Entwicklung der letzten Jahre, die an vielen Orten beobachtet werden kann, ist das Aufstellen von Kinderfunken. Dabei handelt es sich um kleine von Kindern errichtet Funken, die vor dem Abbrennen des „großen“ Funkens erfolgt, nachdem zuvor eine Fackelausgabe an die Kinder erfolgte.

          Was das leibliche Wohl betrifft, so ist dieses beim Funken auch noch nicht zu kurz gekommen. Neben Wurst, Brot, Bier, Glühwein und Tee, gibt es vielerorts auch die traditionellen „Funkaküachle“. Dabei handelt es sich meist entweder um „Polzerzipfel“ oder „Apfelküachle“, beides Gebäck, das in Fett (im besten Fall in Schmalz) herausgebacken wird und ausgezeichnet schmeckt.
(Polsterzipfel - Traditionelles Funkengericht)

 

Sage

Zur geschichtlichen Erklärung sei hier eine Sage angefügt, die ich bereits auf meinem Literaturblog (olivermaerk.blogspot.co.at) veröffentlich habe:

Die folgende Geschichte ist eine freie Fassung der Legende der Jahre 1405/1406, als die Bauern in Vorarlberg angeblich die Burgen ihrer Zwingherren stürmten und in Brand setzen. Demzufolge geht der einheimische Brauch des Funkenabbrennens (eine Art hoher Turm aus aufgeschichtetem Holz, der in jeder Gemeinde des Landes errichtet wird) und des Backens von „Küachle“ am ersten Sonntag nach dem Aschermittwoch auf dieses Ereignis zurück. Historisch wahrscheinlicher sind jedoch kriegerische Auseinadersetzung mit den Appenzellern. Die Tostnerburg wurde jedenfalls von diesen im Jahre 1405 mit Hilfe von damals modernstem Belagerungsgerät angegriffen und zerstört.

Die hier vorliegende Geschichte ist eine freie Schöpfung des Autors und dient der humorvollen Unterhaltung. In diesem Sinne sollte der nun folgende Text auch gelesen werden.

 

Küachlesonntag

Ein strenger, schneereicher aber kurzer Winter hatte sich dem Ende zu geneigt und war in einen milden, zartgrünen Lenz übergegangen, der die jungen Triebe bald sprießen und frisches neues Leben auf Wald und Flur prächtig sich entfalten ließ. Die Bauern schwitzten wieder auf den Feldern und tief grub sich der Pflug, vom Ochsen gezogen, in den feuchten Ackerboden. Die Saat wurde der Erde übergeben und die braven und fleißigen Bewohner des breiten, vom Rhein durchzogenen Tales, gaben ihrer Hoffnung auf eine reiche Ernte Ausdruck. Arbeitsam waren sie die Menschen dieses Landstriches, und es gelang ihnen mehr aus dem Boden heraus zu holen, als dies die größten Optimisten erwarten konnten, denn durch übergroße Fruchtbarkeit zeichnete sich die Gegend am Ausgang der Alpen, die sich zum Bodensee hin öffnet, nicht gerade aus. Ganz anders als im Schwabenland, mit seinen üppigen Obstgärten und Getreidefeldern, mussten die Bauern im Vorarlbergerischen schwer arbeiten, um es zu bescheidenem Wohlstand zu bringen. Und doch gelang es ihnen Scheffel auf Scheffel anzuhäufen und die Kornkammern waren bald bis zum Rand gefüllt mit dem Gold des Landes.

Nun war es aber in diesem Lande so, dass auf den Anhöhen, die sich teils an den Ausläufern der Berge, teils auf selbständigen Erhöhungen in der  Ebene erhoben, Zwingherrn in ihren düsteren, dick gemauerten Burgen hausten und das Volk mit schweren Steuern belasteten. Was der Bauer im Schweiße seines Angesichts buchstäblich aus dem Boden heraus gestampft hatte, wurde von diesen noblen Herren abgepresst, und wer sich nicht unterwarf, dem wurde die eiserne Faust bald zum bitteren Verhängnis. Als die Last zu Beginn des fünfzehnten Jahrhundert gar zu groß wurde, kochte der Volkszorn derart hoch, dass sich die Bauern aus dem ganzen Land in einem Wirtshaus in Rankweil trafen, um dort zu beratschlagen, was man denn tun konnte, um sich der drückenden Herrschaft zu entledigen. Bald kristallisierten sich zwei Lager heraus. Das eine, angeführt von den Bauern des unteren Rheintales, plädierte für eine vermittelnde Lösung. Sie hielten es für das Klügste mit den Burgherren in Verhandlungen zu treten und an deren Verstand zu appellieren. Und sollte damit kein Erfolg zu erzielen sein, so würde man noch immer zum letzten Mittel, dem Gefühl für die christliche Nächstenliebe, greifen können. Die andere Partei, angeführt vom Schoppernauer Bauern Jodok Moosbrugger, hielt von derartigem Vorgehen nichts. Die „großkopferten“ Grundherren seien noch nie auf solches Betteln und Flehen eingegangen und überhaupt hätte man ja auch als einfacher Bauersmann seinen Stolz und deshalb sei die Axt einem in solchen Angelegenheit auch allemal näher als der Olivenzweig. Auch der Pfarrer von Frastanz, Severin Wasserträger, sprach sich für die radikalere Lösung aus und hielt eine Brandrede, die ihresgleichen suchte. „Dürfen wir es zulassen, dass der gute und fromme Bauer, der keusch lebt, zu allen seinen Heiligen betet, reichlich Opfergaben darbringt und schwer sich sein Leben verdienen muss, von den gottlosen Grundherren, die alles verprassen und dem Teufel in den Rachen werfen, bis aufs Blut aussaugen zu lassen?! Wir dürfen es nicht! Drum lehnt euch auf ihr guten Leute! Die  Flamme der Empörung wird diese Schande hinweg brennen!“ So sprach er, und die Anhänger der moderaten Partei liefen scharenweise zu den Radikalen über. Doch ein kleiner Teil blieb dennoch ihrer Sache treu.

Das Bier floss reichlich an jenem Frühjahrsabend und beinahe wäre es noch zu einer handfesten Kabbelei zwischen den beiden Parteien gekommen. Nur der vermittelnden Rede eines Kapuzinerpaters war es zu verdanken, dass den herben Worten keine ebensolchen Taten folgten. Man schickte die wenigen Unterländer Bauern, die nicht zu den Waffen greifen wollten heim auf ihre Höfe. Die anderen blieben zu Rankweil und die Pläne wurden nun endgültig geschmiedet. Es war beschlossene Sache, die Bauern aus dem ganzen Lande sollten am kommenden Freitag nach vollbrachtem Tagwerk, sich auf den öffentlichen Plätzen der Orte sammeln, sich mit Feuer, Spaten und Heugabeln bewaffnen und gemeinsam die Burgen der Zwingherren stürmen und jene mit Geschrei und viel Tamtam zum Teufel jagen.

Die Woche brach an und ohne, dass ein Sterbenswörtchen zur Obrigkeit durchdrang, schien alles den gewohnten Gang zu gehen. Die Bauern schienen noch schwerer zu schwitzen als sonst. Fast glaubte man, sie wäre mit dem Teufel im Bunde, denn eine geheimnisvolle Kraft schien sich ihrer bemächtigt und sie mit Kräften ausgestattet zu haben, die manchem gar unheimlich erschienen. Ein frommer Heiliger aus dem fernen Irland wanderte in jenen Tagen durch den schönen Walgau und als er gerade unterhalb der Burg Jagdberg, fromm betend im Wald sich hingekniet hatte, erschien ihm der Erzengel Michael und teilte ihm die üblen Pläne er örtlichen Bauern mit. Sogleich sprang der fromme Fremdling auf und eilte schnurstracks auf den Hügel zur Burg hinauf, um den dortigen Burgherrn vor dem bevorstehenden Übel zu warnen. Dieser jedoch jagte den guten Mann mit einem Fußtritt von seinem Hof und wäre der Heilige nicht dank seiner Frömmigkeit (und des vielen Fastens) so leichtfüßig gewesen, so hätten ihn die wilden Hunde des Burgherrn zu fassen bekommen. Doch der gute Ire ließ sich nicht beirren, musste man doch als frommer Heiliger gute Werke vollbringen, und so eilte er auf die andere Talseite zur Burg Ramschwag. Doch auch dort, ebenso wie auf Blumenegg, war die Spitze eines Stiefels noch das Mindeste, das er zu spüren bekam. So konnte der Heilige kein gutes Werk vollbringen, zog sich in eine Höhle oberhalb von Bludenz zurück und wollte von dort aus das Kommende beobachten.

Der Freitag kam mit Riesenschritten und als es drei Uhr nachmittags vorbei war und nach dem Gedenken an den Heiland, da die Bauern ihr Tagwerk beendet hatten, sammelten sie sich auf den Gemeindeplätzen allerorts. Ganz wild war es in Frastanz, wo Pfarrer Wasserträger, seine Leute in der Pfarrkirche selbst antreten ließ, sie dort, wenn nötig bewaffnete, und ihnen letzte Instruktionen gab. Der gute Pfarrer ließ sogar das Fleischverbot am Freitag unter den Tisch fallen und verteilte eben höchstpersönlich Kraftsuppe und Fleisch an seine wackeren Kämpfer, damit sie auch genug Kraft hätten, das vom Himmel gewollte Werk zu vollenden. „Gott will es!“ schrie der Geistliche, voller heißem Enthusiasmus, von der Kanzel herab und versprach Vergebung aller Sünden für jeden, der am Kampf teilnahm. Er selbst führte die Frastanzer Bauern mit Weihwasser und Kreuz bewaffnet gegen die Zwingherren an.

Als es am zunachten war, stürmten nun im ganzen Land zur selben Zeit die Bauern die Burgen und steckten alles in Brand, was auch nur irgendwie zum Brennen zu bringen war. Wie zu Zeiten, als Nero Rom nieder brannte, sah es aus, nur noch viel heller, so schien es, war der Nachthimmel erleuchtet vom Schein der lodernden Feuer, die sich nun überall auf den Anhöhen erhoben. In Tosters wurde der alte Burgherr mit samt seinen fünf Frauen den Hügel hinunter nach Sankt Corneli und dann über die Egg hinüber ins Liechtensteinische gejagt. Man ließ ihm außer dem dünnen Nachtgewand, das er am Leib trug, nur das nackte Leben. Und auch dieses konnte er nur mit knapper Müh’ und Not retten.

Völlig überrascht und deshalb unvorbereitete wurden die Burgleute aus ihren Behausungen getrieben und die meisten Wehrbauten wurden im Anschluss daran zu Ruinen. Die Bauern hatten so ihre rechte Freude mit ihrer Tat und feierten, was das Zeug hielt. Meist machte man sich nicht die Mühle in den Ort zurück zu kehren, sondern fraß sich satt an den Köstlichkeiten, die auf den Burgen erbeutet wurden. Das Bier und der süße Wein flossen in Strömen in die ausgetrockneten rauen Kehlen der Bauersleute. So kam es, dass die meisten Bauern über das ganze Wochenende auf dem Burgruinen verweilten und aus dem Feiern gar nicht mehr herauskamen. Sage und schreibe drei Tage lang wurden Orgien gefeiert, die wilder waren, als alles, was man je in dieser Gegend gesehen oder gehört hatte. Erst als alles verzehrt und jedes Fass geleert worden war, torkelten die glücklichen Bauern wieder zu ihren Gehöften ins Tal hinunter.

Als die tapferen „Krieger“ wieder auf ihren Höfen ankamen und von ihren Heldentaten berichten konnten, waren die Frauen über die Tat ihrer Männer derart entzückt, dass sie ihnen besondere Küachle buken. Von dieser Zeit an wurden am ersten Sonntag in der Fastenzeit zum Gedenken an dieses glorreiche Ereignis Küachle gebacken. Dieser Brauch hat sich bis heute, zur Freude aller, erhalten.

 

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